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Klettenbrief – Postfiliale

Klettenbrief – Postfiliale

EIN PROJEKT VON Katharina Biser, Valerie Danzer, Leonie Kaltenegger und Julia Leeb

Eine Postfiliale ist ohne Frage ein Ort mit einer eigenen Logik: Feste Handlungsabläufe und abgegrenzte Bereiche mit unterschiedlichen Funktionen, wie Paketannahmestelle und Sortierraum, geben dem Ort „Post“ seine Struktur. Auch ohne Pandemie-Maßnahmen gelten hier einheitliche und strenge Regeln, etwa zur eindeutigen Frankierung einer Sendung und deren Abgabe, Aufnahme und Weitergabe. Erst hiermit werden die Funktionen von Poststelle und Postwegen sinnfällig und überhaupt erst möglich. Für unsere Expedition „Post“ besuchten wir verschiedene Postfilialen in Linz und Horn, jeweils alleine und zu unterschiedlichen Tageszeiten. Wir wollten den Handlungsabläufen, den Mechanismen der (un)zugänglichen Bereiche und den Postwegen nachgehen. Wie verändern sich die Abläufe zu unterschiedlichen Tageszeiten? Inwiefern ist ein Postzentrum ein Ort „sozialer“ Ansteckung? Wo beginnen die für Besucher*innen unzugänglichen Orte und was kennzeichnet deren Schwellenbereiche? Was passiert an „unsichtbaren“ Orten wie Sortierraum, Container und Fließband? Gibt es Möglichkeiten diese Orte mit ihren Dynamiken sichtbar werden zu lassen?

ORTE DES ÜBERGANGS – BEOBACHTUNGEN

Um den Handlungsabläufen nachzugehen, beobachteten wir das Ein-und-Ausgehen der Besucher*innen, zählten Personen mit/ohne Brief/Paket morgens und nachmittags und befragten Postbeamt*innen. Wir stellten fest: die Post dient „nur“ als Übergangsort. Weder Mensch noch Objekt halten sich lange im Raum auf. Handlungsabläufe erscheinen linear-kausal und zirkulär, insofern sich der Handlungsablauf immer wiederholt: Menschen geben einen Brief am Postschalter ab, dieser wird frankiert, adressiert, in den Sortierraum weitergereicht und auf den Postweg gebracht. Wir dokumentierten unsere Beobachtungen in Bildgeschichten und Skizzen/Statistiken, wodurch die raumstrukturierende Mensch-Objekt-Parallele besonders deutlich wurde: Beides wandert in den Raum hinein und wieder hinaus, beides ist auf dem Postweg. Alle Postfilialen erlebten wir als ambivalente Orte: Zum einen sind sie öffentlich zugänglich, ihre Struktur scheint eindeutig nachvollziehbar, gleichzeitig entstehen Bereiche des Rätselhaften

und „Mysteriösen“, da Briefe und Pakete –oft persönliche Objekte –in nicht zugängliche, anonyme Orte, wie Container und Fließbänder, übergehen. In Hinblick auf diese Nicht-Orte mussten wir feststellen, dass hier starke Grenzziehungsmechanismen wirksam sind. Sortierräume sind isoliert und für die Öffentlichkeit unzugänglich. Die Schwellenbereiche definieren sich durch unterschiedliche Verhaltensweisen: das ruhige Warten und Ausharren der Besucher*innen gegenüber dem Hin-und Herlaufen der Mitarbeiter*innen und dem ständig in Bewegung befindlichen Fließband im Sortierraum. Wir visualisierten diese Vorgänge in Zeichnungen und machten so die für uns unzugänglichen Orte sichtbar.

K(L)ETTENBRIEF – INTERVENTION

Um die Nicht-Orte, die die Postwege kennzeichnen, sichtbar zu machen, entschieden wir uns für das Objekt „Brief“. Dies erschien uns sinnfällig: Bei der Post ist das Einschleusen von Objekten gerade erwünscht und erforderlich. Um die Spuren des Postwegs, seine für uns nicht zugänglichen „Zwischenräume“ einzufangen, präparierten wir unsere Sendung aus Pappe mit Klettstoff und einer speziellen Farbe, deren empfindliche Oberfläche Druck und Stöße und so auch die Transportwege als Risse und Rillen sichtbar macht. Diesen K(l)ettenbrief schickten wir an jede einzelne von uns: ein persönliches und weiter wanderndes Objekt der sozialen Ansteckung.